Die düstere Märchenstunde: The Girl in Red

Buch: The Girl in Red
Autor: Christina Henry
Verlag: Titan Books
Gebundenes Buch: 363 Seiten
Sprache: Englisch

„The Girl in Red“ von Christina Henry war eines der Bücher, die ich 2019 kaum erwarten konnte. Ich bin keine große Vorbestellerin, aber bei dem Buch hab ich das tatsächlich getan. Nicht nur, weil Christina Henry zu meinen Lieblingsautorinnen gehört, sondern ebenfalls, weil sich allein der Klappentext zu dem Buch großartig und vielversprechend anhörte.

In vielen Punkten behielt ich Recht – Christina Henry schafft wieder diesen Sog ins Buch, schafft die Spannung in so extremer Form aufzubauen wie kaum jemand anders. Aber am Ende war ich doch enttäuscht vom Outcome des Buches.

Die Handlung

Ein tödlicher Virus ist ausgebrochen und lässt Menschen langsam und brutal wie Fliegen sterben. Red und ihre Familie leben in einer Kleinstadt, die hundert Meilen von einer Großstadt entfernt ist, in der es besonders schlimm ist. Die Leute sind leichtsinnig und erkennen schon das Problem, glauben aber lange, dass es sie nicht erwischen wird. Red hingegen – als eine Frau, die sich bereits vor dem Ausbruch viel mit derartigen apokalyptischen Situationen in Büchern und Filmen auseinandergesetzt hat – erkennt die Problematik schnell. Und anders als der Rest der Stadt und ihrer Familie, fängt sie an Vorbereitungen zu treffen, wenn es soweit ist, dass ihre Familie und sie zu ihrer Großmutter fliehen müssen. Die lebt in einem abgelegenen Haus im Wald.

In der zunehmend ausbrechenden Anarchie der Menschheit, versucht die Regierung ein System zu bauen und möchte alle noch gesunden Menschen einsammeln und in Camps stecken – Für Red kommt das nicht infrage, da dort die Ansteckungsgefahr noch größer ist. Gleichzeitig kann die Regierung nicht mehr überall sein, womit sich eigene, kleine Gruppen mit militärischen Mitteln bilden, leere Häuser ausräumen, persönliche Reichtümer stehlen und zum Teil noch die töten, an denen sie hängen und die sich ihnen in den Weg stellen.

Der Wald ist ihre einzige Chance. Und als es dann soweit ist und an die Tür ihres Hauses geklopft wird – ihre Familie weiß längst, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe noch viel eher Opfer werden als weiße Menschen – flieht Red. Und weiß, trotz Vorbereitungen, nicht, was sie erwartet, wen sie auf dieser Reise zu ihrer Großmutter verlieren wird und was sie tun muss, um zu überleben …

Die Handlung war großartig. Das Buch ist in „Jetzt“ und „Vorher“ eingeteilt und beginnt bereits damit, dass Red im Wald unterwegs ist und es immer wieder Anspielungen gibt darauf, was passiert ist, sodass man neugierig wird. Das wird dann in den „Vorher“ Kapiteln behandelt.

Besonders die „Vorher“ Kapitel hab ich sehr gemocht, weil mich sehr interessiert hat, wie es zum Virus kam, wie er sich ausbreitete und was dahingehend mit Red und ihrer Familie passieren würde. Ob eine derartig ablaufende Apokalypse realistisch ist, weiß ich nicht, aber im Zusammenhang mit den „Jetzt“ Kapiteln zeigte sich toll, wie brutal und rücksichtslos Menschen sich entwickeln, wenn sie in Not geraten und keinen Ausweg wissen.

Es ging stetig voran. In der Mitte hat das Buch einen Hänger, besonders der Teil, wo sie mit Adam – ihrem älteren Bruder – unterwegs ist, hat sich gezogen. Das hat aber, meiner Meinung nach, auch daran gelegen, dass man Red und Adam normalerweise nicht allein lassen sollte, weil sie sich und damit Lesenden ziemlich auf die Nerven gehen.

Nach der hängenden Mitte wird es besonders im letzten Drittel nochmal spannend, da sie hier neue Leute trifft, die der Handlung neuen Schwung geben und vor allem den Lesenden neue, große Ängste um Verlust. Von Spannung ganz zu schweigen.

Zum Ende werde ich dann später in der Rezension kommen.

Red thought she had everything all figured out. But she’d forgotten one thing, the most important factor in all those apocalypse books and movies that she loved so much; it was never the Event – illness, asteroid, nuclear war, whatever – that was the problem. It was what people did after. And people always reduced to their least human denominators when thing went bad.

Red

Red war großartig. Ich hab den Vergleich, weil ich bereits alle anderen Bücher von Christina Henry gelesen habe. Für mich ist Red noch besser gelungen als Alice und beinahe so gut wie James aus „Lost Boy“. Red ist klug und verbissen und muss immer Recht haben. Sie ist vorausschauend und plant von Anfang an in Kleinstarbeit, was sie tun müssen und was sie können müssen. Beispielsweise übt sie vorbereitend, weite Wege mit viel Gepäck mit ihrer Beinprothese zu gehen, weil sie weiß, dass der Stumpf bei zu viel Anstrengung anschwellen wird und sie niemanden ausbremsen, geschweige denn zurückbleiben will.

Es war bezeichnend, was sie durchgemacht hat und dass sie immer noch weitermacht, auch wenn das Passierte Spuren hinterlassen hat in ihrem Inneren. Hier wäre ich fast geneigt zu sagen, dass es zum Teil zu wenige sind, beziehungsweise diese zu wenig herausgearbeitet wurden, bin da aber unentschlossen. Besonders da Red sich die ganze Zeit in einer Notlage befindet und kaum Zeit hat, sich mit den Verlusten auseinanderzusetzen und darüber richtig nachzudenken, war es für mich soweit in Ordnung.

Was mich allerdings ein bisschen gestört hat, ist, dass Red offenbar wirklich die Einzige in ihrer ganzen Stadt und Familie gewesen ist, die auf die Idee gekommen ist, dass der Virus auch sie treffen könnte. Das find ich zum Teil auch unrealistisch und hätte mir hier gewünscht, dass sie jemand Unterstützenden dabei gehabt hätte (selbst wenn diese Person dann gestorben wäre). Besonders ihre Familie erschien mir auf dem Auge blind.

Großartig war ebenfalls, dass wir es bei Red nicht mit der üblichen weißen, hetereo und able-bodied Protagonistin zu tun haben. Red ist schwarz, bisexuell und not-able-bodied. Mit acht hat sie ihr Bein „verloren“, auch wenn das nicht alles an ihrem Leben ist. Seitdem ist es anders, aber nicht alles, was sie ausmacht.

Hier wurden viele Marginalisierungen zusammengebracht, die für mich aber in keinstem Fall token-artig wirkten. Zum einen, weil Reds Mutter und ihr Bruder ebenfalls schwarz sind, zum anderen, weil der Cast einfach nicht groß war und nicht auf diesen Marginalisierungen rumgehackt wurde. Dass Red schwarz ist, war ein Fakt, der aufgegriffen wurde, ja. Auch der Rassismus, der damit einhergeht und dass sie besonders Opfer der weißen Bürgerwehren werden würden, auch. Aber die Autorin hat an der Stelle gut gehandelt, in dem sie es nicht zu Reds zentralem Fluchtpunkt erklärt hat, noch die Geschichte darum ging. Das fand ich sehr gut, da es den Text realistisch gemacht hat, ohne ihn über ein Own-Voice Thema zu machen, das die Autorin aufgrund von Unbetroffenheit lieber anderen überlassen sollte.

Auch dass Red bisexuell ist, wurde nur einmal kurz erwähnt, war für mich aber enorm wichtig. Auch dass es nicht weiter thematisiert wurde, war gut, da in der Apokalypse gerade kein Platz dafür ist und sie sowieso kein Love-Interest in der Story gehabt hat.

Red war für mich eine großartige, unperfekte, glaubhafte und unglaublich mutige Protagonistin, die mich manchmal zwar auch genervt hat, aber die vor allem deswegen so echt gewesen ist. Sie war das, was Frauen in vielen Büchern nicht sein dürfen: Eine Heldin. Oder zumindest soetwas Ähnliches, eine Heldin auf ihre eigene Art.

But you never really got over that loss, she thought dreamily as she snuggled into her sleeping bag. You never stopped feeling the lack of the thing that was gone. Just like all the days she’d walked alone in the woods, and every time she’d turned to say something to her brother or her father or her mother, and found that they weren’t there, even if she felt they were, that they ought to be.

Unterstützende Figuren

Wie oben bereits angeschnitten, war der Cast des Buches sehr klein und ebenfalls wechselnd aufgrund von Tod u.Ä.

Einer der wichtigeren Nebenfiguren war Adam, ihr älterer Bruder, mit dem Red später auch schafft, in den Wald zu fliehen.

Ich hab ein gemischtes Verhältnis zu Adam, der sich die Welt sehr naiv denkt und lange Zeit noch auf die Regierung hören und in die Camps will. Er verspottet Red lange wegen ihrer Pläne, behandelt sie zum Teil schlecht und sagt extrem gemeine Sachen zu ihr. Andersrum ist er keine einseitige Figur, sondern fürchtet sich ebenfalls, ist unerfahren und liebt Red, was ebenfalls rauskommt. Die beiden haben eine interessante Geschwisterbeziehung und doch hat mich das am Ende nicht komplett überzeugt. Für mich war Adam an vielen Stellen zu anstrengend und hat Fakten ignoriert, die man ihm vor die Nase gelegt hat, sodass es zum Teil willkürlich erschien, wie er Red das Leben damit erschwert hat. Kurz bevor Adam dann von der Bildfläche verschwindet, zeigt er nochmal eine sehr warme Seite, aber dann ist er eben auch weg. Und im Gesamtbild ist das zu wenig.

Im weiteren Verlauf treten noch Riley, Sam und D.J. auf. Alle Drei haben für mich den Schlussteil des Buches nochmal sehr spannend gemacht, weil Red endlich wieder jemanden hatte, der ihr wichtig gewesen ist. Besonders bei D.J. hatte ich zu Beginn großes Misstrauen – was wohl nur normal bei den Umständen ist – wurde aber positiv überrascht.

Obwohl Sam und Riley Kinder sind, waren sie für mich trotzdem keine blassen Figuren, sondern Menschen mit Willen und Wünschen. Das war ebenfalls sehr gut, da Kinder in Büchern oft sehr einfach gestrickt dargestellt werden und das hier nicht so gewesen ist.

Die Auflösung/Das Ende

„The Girl in Red“ war für mich ein sehr spannendes, großartiges Buch. Aber es war nicht das Buch, das ich erwartet habe, zu lesen. Das ist auf der einen Seite selbstverständlich positiv, weil ich immer überrascht wurde. Auf der anderen Seite hat es einen sehr faden Beigeschmack für mich hinterlassen, weil ich mir auch ein anderes Buch gewünscht habe.

Im Verlauf des Buches „verschlimmert“ sich der Virus, beziehungsweise eine neue Form digitiert daraus. Red und einige andere stellen sich die Frage, woher der Virus selbst und dessen abgewandelte Form kommen, und versuchen es herauszufinden. Mich hat die Antwort auch sehr interessiert, aber die Antwort?

Die war zutiefst enttäuschend und fast schon langweilig mit Blick auf das große Bild und weiteren Büchern, die Christina Henry geschrieben hat. Am Ende wurde auf Verschwörungstheorien rund um die Regierung zurückgegriffen, die ihre eigenen Experimente nicht mehr unter Kontrolle haben. Wo genau jetzt der Virus herkam, beziehungsweise was genau da geschehen ist, ist für mich nicht vollständig herausgekommen. Und generell konnte mich die Auflösung nicht überzeugen.

Der Klappentext verrät nichts über die Entwicklung dahingehend, was ich ebenfalls schade finde. Wie oben angedeutet, dachte ich beim Klappentext noch, dass ich ein vollkommen anderes Buch lesen würde. Selbstverständlich hätte das am Ende nicht stimmen müssen, aber so blicke ich nach dem Ende des Buches immer wieder auf den Klappentext und frage mich, warum man den ausgewählt hat, wenn das Buch hauptsächlich andere Themen behandelt.

Fazit

Trotz vielem Gemecker war „The Girl in Red“ ein großartiges, großartiges Buch. Es hat mir nicht immer nur Spaß gemacht, aber es war spannend, mit einer tollen Protagonistin, Diversität und spannenden Plotpunkten. Das Ende war enttäuschend und hat dem Buch was abgezwackt für mich, aber bildet nur einen Teil dessen.

Kennt ihr das Buch? Wie fandet ihr Red als Figur und die Auflösung um den Virus?

Schreibt es uns gern in die Kommentare!

Alles Liebe,

• Laura

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