Das Dach der Welt – Mira Manger

Bei diesem Beitrag handelt es sich um WERBUNG. Wir haben ein Freiexemplar vom Pieper Verlag erhalten.

Buch: Das Dach der Welt
Autor: Mira Manger
Verlag: Piper Verlag
Gebundenes Buch: 292 Seiten
Sprache: Deutsch
Preis: 15,99€

Ich war es leid, Freunde und Wegbegleiter an diesen Wahnsinn zu verlieren, es leid, mir ihren Tod als den Preis für das zu verkaufen, was wir hier taten. Denn die Wahrheit war, dass niemand wusste, was er tat, wenn er eine Expedition anging. Niemand kam ernsthaft auf den Gedanken, dass vielleicht er es sein würde, der diesmal einen Platz neben den anderen, nie geborgenen Leichen unter Schnee und Eis einnahm. Hier oben waren wir keine vernünftigen Menschen. Wir waren Träumer, Meister im Verdrängen und Leugnen.
Der Grund, warum wir jede Saison in die Bergwelt zurückkehrten, all die Strapazen und Schmerzen des Aufstiegs immer und immer auf uns nahmen, war simpel: Wir wollten uns lebendig fühlen.

Das Dach der Welt – Mira Manger

TW: Erwähnung von Depression, Alkoholsucht, Tod

Worum geht es?
Alicia und Robin haben sich vor über einem Jahr getrennt, nachdem Robin an Depressionen und Alkoholsucht gelitten hat und Alicia sich nach vielen Streits, Ausrastern und Tränen von ihm getrennt hat. Zu einer Expedition, bei der die beiden Bergsteigenden den Everest beklettern wollen, treffen sie sich wieder und merken, dass sie doch noch Gefühle füreinander haben. Was bedeutet das für ihre Beziehung?

Inhalt und Struktur
Ich wusste nicht mit welchen Erwartungen ich in das Buch gehen würde. Aber ich wurde in mehrfacher Hinsicht positiv überrascht. Zuallererst: Das Buch hat eine Triggerwarnung. Was für viele so schwer erscheint, wurde hier ganz einfach gelöst, das als erstes.
Zum Inhalt: Das Buch ist in Gegenwart und Vergangenheit aufgeteilt worden. Der größte Teil der Geschichte spielt in der Gegenwart und während der Expedition von Alicia und Robin, die Zwischenszenen spielen in der Vergangenheit. Das fand ich gut gelöst, weil Alicia und Robin in der Gegenwart sehr versuchen, nicht über die Dinge zu reden, die zwischen ihnen passiert sind und man so einen Einblick darin kriegt was tatsächlich passiert ist und wo Probleme lagen. Was hier gestört war tatsächlich, dass die Szenen der Vergangenheit nicht in Reihenfolge sind? Ich war zwischendurch verwirrt, weil ich zum Teil nicht mehr auseinanderhalten konnte, wann welche Szene spielte und in welchem Beziehungsstadium (die ja immer weiter auf ihr Ende zulief) die beiden sich eigentlich befinden/wie weit Robins Alkoholsucht vorangeschritten ist, wie kompliziert es bereits ist. Trotzdem war es insgesamt „toll“ (sofern das toll ist), wie mit Robins psychischer Krankheit umgegangen wurde, dass sie weder glorifiziert noch romantisiert, sondern authentisch und echt dargestellt wurde. Alicia wollte ihm helfen, ja, aber versucht zu heilen hat sie ihn nie. Und ihre Beziehung ist daran zerbrochen. Auch authentisch und sehr glaubwürdig erzählt.
In der Gegenwart treffen die beiden sich wieder und gehen gemeinsam auf die Expedition zum Everest. Was soll ich sagen?
Mir persönlich hat die Gegenwart in vielen Punkten deutlich besser gefallen als die Vergangenheit. Die Szenen waren hier für mich zum Teil tiefgründiger, auch weil sie länger und damit tiefgreifender sein konnten. Das größte Kompliment hier geht übrigens vor allem an die Recherche raus, für die ich der Autorin die Füße küssen will. Selten hab ich so ein gut recherchiertes Buch gelesen, als es um Klettern, Ausrüstung, Akklimatisierung, Abläufe, Erfrierungen, Wetter, etc. geht. Die Liste ist so lang, ich könnte sie ewig fortsetzen. Man hatte immer das Gefühl, mit auf den Everest zu steigen. Immer das Gefühl, dabei zu sein, zu zittern, wenn es die Figuren getan haben. Genau wie Alicia hatte ich Angst vor dem Riesen, den sie da besteigen würden und den Gefahren, die dort lauern, hab mich in der Todeszone gefürchtet und hab um das Leben einiger Figuren gebangt. Und das hat besonders den Inhalt so großartig gemacht, weil ich ohne Bedenken, ohne zweifeln jedes Wort glauben konnte.
Auch Alicia und Robin waren zusammen gut. Oftmals wirken Paare oder Expaare in Romanen (besonders NA) gekünstelt auf mich, ihre Verbindung gekünstelt, aber Robin und Alicia waren so natürlich. Man hat den beiden, ohne dass sie ständig einander hinterherschmachten mussten, abgenommen, dass sie sich wichtig sind, dass sie sich gut kennen und dass eine Expedition nur funktioniert, so lange sie den anderen dabeihaben. Weil sie den anderen immer dabeihatten. Dadurch waren sie ungezwungen miteinander, sehr offen, dafür dass sie ExpartnerIn waren – was toll war, weil sie sich trotzdem lange kannten und viel geteilt und vertraut haben – und haben immer noch Dinge ineinander gesehen, die die Vergangenheit nicht auslöschen konnte. Es war wirklich gut zu lesen.
Trotzdem hat zum Teil etwas gefehlt: Alicia und Robin waren toll, weil ihnen ihre Liebesgeschichte nicht so aufgedrückt wurde; trotzdem kam die, dafür dass wir uns in einer NA-Liebesgeschichte befinden doch zu kurz. Das Buch geht viel um ihre Expedition und ihr Vertrauen, aber tatsächlich „romantische“ Szenen zwischen den beiden gibt es relativ wenig. Auch der erste Kuss, den sie wieder hatten, war kurz abgehandelt. Insgesamt mochte man die beiden sehr zusammen wegen ihrer Verbindung, doch starke Gefühle über die Liebesbeziehung der beiden konnte ich eher in der Vergangenheit entwickeln, die aber von problematischen Ereignissen – die auch als diese klar tituliert waren – überschattet wurden. In der Gegenwart hätte ich mir hier klarere Interaktion und Sehnsüchte gewünscht, die die das Bild noch besser zwischen den beiden abgerundet hätten. Denn eigentlich war immer klar und ist rausgekommen, dass die beiden sich lieben.

»Weißt du, ich denke, Robin und ich klettern aus zwei völlig unterschiedlichen Gründen. Das war schon immer so.«
Ich hob den Kopf zum Zeltdach, so, als würde ich dort Antworten finden. »Manchmal hab ich das Gefühl, er macht all das nur, weil …«
»Weil was?«, fragt Maik zaghaft.
»Weil er sterben will«, entgegnete ich mit erstickter Stimme und wischte mir die erste Träne von der Wange. »Er ist hier oben, weil er sterben will. und ich folge ihm immer wieder, seit Jahren, weil ich genau das nicht will. Ich weiß nicht mehr … wie das weitergehen soll.«

Das Dach der Welt – Mira Manger

Die Figuren

„Das Dach der Welt“ kommt mir einer verhältnismäßig überschaubaren Anzahl von Figuren aus. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der größte Teil des Romans auf dem Berg stattfindet und so niemand weiter dazukommen kann.
Alicia und Robin, als Protagonist und Protagonistin des Romans, sind das Herzstück des Romans. Ich muss gestehen, dass ich einige Anfangsschwierigkeiten mit Alicia hatte und sehr leicht bin Robin ausgekommen bin, was sich im Laufe des Romans geändert hat.
Denn besonders zu Beginn kommt mir Alicia oft ungeklärt gehemmt vor, was mir wenig zur Expedition passte, die sie vorhatte. Robin hingehen sprühte vor Leben, was wirklich schön und unaufgesetzt wirkte.
Und gerade das war auch eines der Dinge, die ich bei Alicia und Robin loben muss – am Anfang des Romans bekommt man nur einen Abriss. Erst während des Romans entblättern sich nach und nach alle Seiten, die die Figuren wirklich haben, ihre kleinen Macken, ihre Stärken und ihre Schwächen.
Und genau deswegen habe ich Alicia unterschätzt. Ja, sie ist keine Heldin mit silbernem Schwert, aber es ist für mich schlichtweg unglaublich gewesen, was sie über den Roman und in ihrer Vergangenheit emotional und mental geleistet und ausgehalten hat. Wie unglaublich viel sie ertragen hat und was sie nie von ihrem Ziel vor Augen abgehalten hat. Sie hatte Ihre Prinzipien und sie hatte ihre Ängste. Sie ist mutig und hilfsbereit und freundlich und einfühlsam. Und sie hat auch einige Fehler gemacht.
Auch Robin, der am Anfang nur so vor Leben und Glück sprühte, hat sich vom fröhlichen Kumpeltypen zum in sich verschlossenen, psychisch kranken Menschen entpuppt. Das sind nicht zwei Dinge, die sich ausschließen, auf keinen Fall – und genau das ist hier auch gezeigt worden. Er ist ein lieber Mensch und er ist auch lustig und manchmal aufgedreht. Aber das ist nur eine Seite, die er hat. Und manchmal die Seite, die er ganz bewusst Menschen zeigen möchte, um eine andere Seite zu verbergen.


Mit den Nebenfiguren war ich nicht so richtig glücklich. Nicht, weil ich mir mehr gewünscht hätte – die Anzahl war vollkommen ausreichend – sondern viel mehr, dass mir keiner von ihnen durch seinen Charakter in Erinnerung geblieben ist. Es gab zwei Bergführer, deren Ehefrauen benannt wurden, aber ich kann nicht sagen, wer wer ist und wer zu welcher Frau gehört. Auch die Ehen und Leben der anderen Figuren, abgesehen von Robin und Alicia, blieb unglaublich blass und vage.
In dem Sinne war es ganz gut, dass sie nicht allzu wichtig gewesen sind (mir auch nicht so sehr), aber es mich beim Lesen manchmal durcheinandergebracht hat.


Die Figuren sind alle wenig bis gar nicht äußerlich oder in inneren Dynamiken beschrieben worden, weswegen es schwierig ist, die Diversität einzuschätzen. Sauer aufgestoßen ist mir jedoch, dass die eine Figur explizit nicht-hetero gestorben ist.

Mein Atem ging unglaublich schwer. Ich halluzinierte wieder, so wie auch gestern, als ich mich mit letzter Kraft in das Hochlager geschleppt hatte. Lukas war da gewesen. Er hatte seinen grünen Parka getragen und mich einen Idioten genannt, der es mal wieder zu weit getrieben hatte. Lukas hatte schrecklich ausgesehen. Sein Gesicht war schwarz gewesen, völlig schwarz, so erfroren war es gewesen. Er hatte gelacht und mich angefeuert, und seine Anwesenheit hatte mich tatsächlich angestachelt.
Einen leeren Sarg konnte ich Alicia nicht antun.

Das Dach der Welt – Mira Manger

Stil

Der Stil in „Das Dach der Welt“ ist flüssig und gut lesbar. Er ist sehr unkompliziert zu lesen, man kommt nicht ins Stocken und kommt gut durch den Roman durch. Das einzige, was mir gar nicht gefiel, waren anstrengende und komisch klingende Beschreibungen oder floskelhafte Gefühlsbeschreibungen, die mich stellenweise häufig eher zum Augenrollen gebracht haben, anstatt zum Mitfühlen.
Denn eigentlich war der Roman, dadurch, dass nicht die großen Gefühle kitschig beschrieben worden sind, sehr stark; durch die Chemie der Figuren wurde häufig gut zwischen den Zeilen ein Gefühl zwischen den Figuren geschaffen, das man gespürt hat und das mir sehr viel besser gefallen hat als für mich nicht ganz passende, gedankliche Liebesbekundungen (die zum Glück nicht so oft vorkamen). Der Autorin ist es oft gelungen, mit wenigen Worten und Gesten der Figuren und zwischen den Figuren zu zeigen, was sie selbst fühlen und wie sie sich anderen gegenüber fühlen.
Stilistisch muss auch, für mich, unbedingt zwischen den Abschnitten der Gegenwart und der Vergangenheit unterschieden werden: Die Abschnitte aus der Gegenwart habe ich als besser empfunden. Immer wieder kam es mir vor, als wäre in Alicias und Robins eigentlich schmerzlichen Erinnerungsparts unglaublich viel weggeschnitten worden, das war sehr schade. Denn so ins Geschehen geworfen, war es für mich schwer möglich, zwischen den Zeilen zu lesen und zu verstehen, weshalb sie sich gerade wie verhalten.

Fazit
Schlussendlich und nach den vielen Griffen ins Klo, die wir bisher bei New Adult gelandet haben, wurden uns hier viel Herzschmerz, Spannung und Angst bereitet. Wir sind froh, dass wir das Buch gelesen haben – es ist, von Alisha, als auch Laura, das liebste New Adult Buch. Und wir würden es jedem ans Herz legen.

Alisha und Laura

Wir danken dem Piper Verlag für das Freiexemplar von „Das Dach der Welt“. Wir haben wundervolle Lesestunden verbracht.

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